Unbürokratische Bewilligung einer kulturellen Nutzung von Off-Locations

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Stadtbezirk: 
Stuttgart (gesamt)
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Thema: 
Kultur
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Wirkung: 
kostenneutral

Für unsere Stadt ist der Vorschlag:

Ergebnis:

249
weniger gut: -28
gut: 249
Meine Stimme: keine
Platz: 
51
in: 
2011

Die Waggons am Nordbahnhof waren bis zu ihrem Abriss ein tolles Versuchslabor für die junge Kunst- und Kreativszene der Stadt Stuttgart, ein Projekt, das auch überregional und auch außerhalb der subkulturellen Szene wohlwollend wahrgenommen wurde.

Die Künstler führen ihre Arbeit nun temporär in dem Projekt Jakob 17 (www.jakob17.com) fort und werden sich auch danach bestimmt wieder entsprechend engagieren.

Anfang des Jahres führte auch die temporäre Nutzung des mittlerweile abgerissenen Gebäudekomplexes an der Marienstraße unter dem Titel "Utopia Parkway" (www.exp-edition.com) zu spannenden künstlerischen Ergebnissen jenseits von Galerien und Museen. Junge Kunst- und Kulturschaffende konnten mit Installationen, performances und Ausstellungen zeigen, was sich in Stuttgart neben den ausgetretenen Pfaden noch so tut.

Trotzdem ist es für Projekte dieser Art immer noch ein schwerer Gang durch die behördlichen Instanzen, um so eine Zwischennutzung genehmigt zu bekommen. Die Schaffung eines Ansprechpartners für interessierte Künstler würde hier eine große Erleichterung schaffen.

Z.B:
- Schaffung eines Angebots-Pools: Wo gibt es geeigente Räume für eine temporäre Nutzung?
- Unter welchen Bedingungen können diese bespielt werden?
- Wie lange können diese genutzt werden und zu welchem Zweck?
- etc.

Von so einem Angebot könnten nicht nur wenige Künstler, sondern auch die gesamte Kunstszene der Stadt profitieren, inklusive imagebildender Außenwirkung. Gleiches gilt natürlich auch für temporäre Gastronomie- oder Club/Party-Projekte, Theaternutzung usw.

Gemeinderat prüft: 
ja
Stellungnahmen und Beschlüsse
Umsetzung: 

Informationen werden derzeit eingeholt.

Ergebnis Haushaltsberatungen: 
Der Gemeinderat hat für die Einrichtung eines Leerstands- und Zwischennutzungsmanagements bei der Abteilung Wirtschaftsförderung des Bürgermeisteramts die Schaffung einer 0,5-Stelle beschlossen. Hierfür stellt die Stadt pro Jahr 39.800 € zur Verfügung. So können künftig auch interessierte Künstler bei der Bewilligung einer kulturellen Nutzung von so genannten „Off-Locations“ und beim „Gang durch die behördlichen Instanzen“ unterstützt werden.
Gemeinderat hat zugestimmt

Stellungnahme der Verwaltung: 

Bei diesem Vorschlag gibt es einen direkten Bezug zu einem bereits vorhandenen Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen (Antrag Nr. 318/2011: „Agentur für kreative Freiräume“). Dieser Antrag wurde bereits an OB/82 zur Bearbeitung zugewiesen, d.h. die Stadtverwaltung ist aktuell mit dieser Thematik befasst. Daher nehmen wir auch zum oben genannten Bürgerhaushaltsvorschlag wie folgt Stellung.
Viele „kreative“ Stadtquartiere haben sich in der Vergangenheit eher zufällig entwickelt. „Kreative Räume“ und „kreative Milieus“ sind grundsätzlich nicht planbar. Gerade ungewöhnliche Orte, die sich in einem Übergangsstadium zwischen aufgegebener Nutzung und neuer Planung befinden z.B. ehemalige Produktionsbereiche und alte Industriegebiete mit einer dort vermuteten „kreativen Atmosphäre“ können zur Imagebildung von Unternehmen der Kreativwirtschaft beitragen. Möglichkeits- und Experimentierräume („Off-Locations“) sind daher bedeutsam für die Kreativszene.
Eine kreative Stadtpolitik braucht „Raumpioniere“, die aus dem Bestehenden etwas Neues entwickeln. Im günstigsten Fall können sich aus vormals vernachlässigten Räumen neue „Chancenräume“ entwickeln. Möglichkeits-und Experimentierräume („Off-Locations“) können Teil einer Strategie der Quartiersverbesserung sein, in der alte Baustrukturen eine neue Belebung und Inwertsetzung etwa durch Zwischennutzungen erfahren. Aus diesem Grund wird der Vorschlag als beachtenswert eingeschätzt.
Im Rahmen der Bearbeitung des Antrags Nr. 318/2011: „Agentur für kreative Freiräume“ werden von der Stadtverwaltung gegenwärtig Vorschläge zur Gründung einer Leerstandsbzw. Zwischennutzungsagentur in Stuttgart zusammengestellt und die Möglichkeiten der Einrichtung einer solchen in Stuttgart geprüft. Sofern sich der Gemeinderat für die Etablierung einer Zwischennutzungsagentur in Stuttgart entscheidet, wäre es möglich, dass die Zwischennutzungsagentur interessierten Künstlern bei der Bewilligung einer kulturellen Nutzung von so genannten „Off-Locations“ und beim „Gang durch die behördlichen Instanzen“ unterstützt. Somit ist die Machbarkeit dieses Vorschlags unter den genannten Voraussetzungen gegeben.
Eine Leerstandsagentur sucht aktiv nach günstigen Möglichkeits-und Experimentierräumen („Off-Locations“) für Kreative, berät Eigentümer und Nutzer bis zum Mietvertragsabschluss und ist der Kontaktvermittler zwischen beiden Seiten. Dabei kann sie ggf. durch so genannte „location-scouts“ auf Honorarbasis unterstützt werden. Wichtiges Arbeitsmittel ist dabei eine Datenbank, die Standorte und Immobilien, die temporär genutzt werden können, auflistet inklusive der Nutzungskonditionen (verfügbare Flächengröße, Mietpreis, Mietdauer, Ansprechpartner usw.).
Die zu erwartenden jährlichen Kosten für die Etablierung und den Betrieb einer Leerstands- bzw. Zwischennutzungsagentur belaufen sich auf durchschnittlich rund 60.000 Euro brutto. Davon entfallen rund 50.000 Euro für Personal der Zwischennutzungsagentur und rund 10.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit bzw. Sachmittel. Diese Einschätzung basiert auf der Untersuchung von bundesweit fünf Modellen von Leerstands-bzw. Zwischennutzungsagenturen.
Wie die Erfahrungen in den verschiedenen Städten zeigen, werden innerhalb der Verwaltung im ersten Projektjahr ca. 0,5 Personenmonate einer Vollzeitstelle für die Ausschreibung, Betreuung und Koordinierung der Leerstands-bzw. Zwischennutzungsagentur veranschlagt. Dieser Aufwand reduziert sich in den Folgejahren auf etwa 0,25 Personenmonate einer Vollzeitstelle. Hinzu kommt der Aufwand innerhalb der Verwaltung für die Abrechnung und Prüfung der sachgemäßen Mittel-Verwendung, der bei dieser Einschätzung unberücksichtig bleibt. Ein weiterer zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, wenn Fördermittel in Anspruch genommen werden (z.B. Bund-Länder-Programme „Stadtumbau West“ und „Die Soziale Stadt“).
Um die Funktionen einer Zwischennutzungsagentur wahrnehmen zu können und insbesondere als Ansprechpartner für so genannte „Off-Locations“ aufzutreten, sollten die Mitarbeiter einer Zwischennutzungsagentur über Erfahrungen hinsichtlich der Strategien einer temporären bzw. schrittweisen Standortaneignung mit dem Ziel einer nachhaltigen Standortaufwertung verfügen. Hierfür sollten sie insbesondere qualifiziert sein durch Vertrags-und Baurechtskenntnisse. Es ist von Vorteil, wenn die Akteure der zukünftigen Zwischennutzungsagentur bereits in die lokalen Strukturen Stuttgarts eingebunden sind und in der Kreativwirtschaft bereits etabliert sind. Dies erleichtert die Kommunikation zwischen den Nutzungsinteressenten und den Immobilieneigentümern erheblich. Die untersuchten Beispiele zeigen, dass Kreativschaffende, Künstler, Architekten und Kulturmanager in der Regel die Ansprache von Kreativschaffenden als Nutzungsinteressenten besonders leicht fällt.

Verweis auf Haushaltsanträge der Gemeinderatsfraktionen: 
411 (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
Verweis auf Gemeinderatsdrucksachen: 
<a href="http://www.domino1.stuttgart.de/web/ksd/KSDRedSystem.nsf/3773c106d8cc9a76c1256ad900302205/4c46dfb1c283f5ecc125796800633ad6?OpenDocument">GRDrs 1012/2011</a>

Kommentare

10 Kommentare lesen

Ein Spitzen-Vorschlag!

Gerade die Wagenhallenkünstler sind ein Beispiel dafür, dass man Künstlern keine Zwischennutzung von brachliegenden Flächen erlauben sollte. Das Gelände, welches übrigens nur aufgrund von S21 überhaupt zur Zwischennutzung frei war, war von Anfang an als temporäres Projekt gedacht. Aber anstatt dies zu würdigen und anzuerkennen, dass man Flächen einfach so überlassen bekam, hat man hinterher einen Medienrummel veranstaltet frei nach dem Motto: Die Stadt macht unsere tolle Subkultur zunichte. Ich finde, die Künstler sind keine seriösen Verhandlungspartner. Ich würde anstelle der Stadt keine Flächen zur Zwischennutzung mehr hergeben.

@Diane: Verstehe ich nicht, deinen Kommentar. Die Wagenhallen gibt es doch nicht nur temporär, die haben gerade erst eine fünfjährige Verlängerung der Nutzung von der Stadt genehmigt bekommen.

Ich teile den ursprünglichen Kommentar auch nicht, gerade die Wagenhallen und die temporäre Nutzung der Waggons haben doch gezeigt, was für eine vielschichtige Kultur aus einer derartigen "improvisierten" Nutzung abseits der etablierten Kultureinrichtungen entstehen kann und wie gut diese von der Bevölkerung angenommen wird, sonst wäre der erwähnte Medienrummel auch sicherlich schnell wieder verhallt!

Warum ist in Stuttgart jedes freistehende Fleckchen ein Politikum. In anderen, oft nicht so reichen Städten ist Zwischennutzung ganz normal und wird selbstverständlich auch von nicht öffentlichen Eignern eher akzeptiert und mit den Betreibern verhandelt ohne immer gleich den großen Investor zu suchen und ohne dass ja älles schee saub´r bleibt.
Es sind nicht immer die Dreckigmacher oder Rumhänger oder Abzocker die man in diesem Umfeld findet, sondern man findet eine andere, ungewöhnliche Lebensform, die in der gleichmacherischen, geordneten Welt störend wirkt.

Also, weiter denken.

Sehr gut und sehr wichtig für Stuttgart!

und zur Ergänzung: und Zwischennutzung kostet die Stadt nichts! Wenn man sich das Programm der Wagenhallen in den letzten Jahren anschaut sieht man, wie viel die Stadt popkulturell gewonnen hat. Und Steuern zahlen die Betreiber auch noch. Dazu kann man nur eins sagen win-win-situation.

Die letzten KommentatorInnen scheinen am Ziel vorbeigeschossen zu sein. Der aufmerksame Leser hat festgestellt, dass es sich hier nicht um die kommerzielle Nutzung und durchgeführte Veranstaltungen durch die Wagenhallen handelt, sondern um wunderbare Off-Locations wie ehemals die Waggons (in der Nähe der Wagenhallen) oder das aktuell noch genutzte J17-Areal. Die Künstler und Veranstalter vieler schöner Feste und Veranstaltungen abseits der völlig überlaufenen und anspruchslosen theodor-heuss-"partymeile" haben hierdurch zu einer alternativen Kulturszene in Stuttgart beigetragen, die sonst eher in Berliner Kiezen zu vermuten ist als im "ordentlichen Ländle".

Um aber zurück zum Vorschlag zu kommen: Super Idee und absolut unterstützenswert um eben genau diese entstandene alternative Kultur weiterhin zu fördern.

der Vorschlag ist super und uneingeschränkt zu unterstützen!

Aus dem Kommentar von Diane lässt sich eigentlich nur schließen, dass sie noch nie an den Wagenhallen, den Waggons und auf dem übrigen inneren Nordbahnhofareal war, sondern lediglich aus der Presse davon weiß. Sonst wüsste sie, dass die Wagenhallen (wie schon der Name sagt eine Halle) eine kommerziell betriebene und "offizielle" Veranstaltungsstätte ist, während die eigentliche sogenannte Subkultur (um die es in dem Vorschlag geht) sich woanders im Gelände befindet, unter anderem in alten Eisenbahnwaggons.
Übrigens empfinde ich die Verhandlungen zwischen den Waggonkünstlern, Bahn und Stadt letztendlich als gelungen und erfolgreich - von allen Seiten aus!

Ein ausgezeichneter Vorschlag. Gerade Stuttgart tat sich in der Vergangenheit viel zu schwer hier unbürokratisch Räume für einen spannenderen kulturellen Austausch zu öffnen. Eine gezielte Förderung tut hier dringend Not.